Wanderausstellung:Der Mensch dahinter - eine Initiative für mehr Respekt und Toleranz
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Übergriffe auf Beschäftigte im Rettungsdienst, der Polizei, Feuerwehr und anderen in der Öffentlichkeit stehenden Berufsgruppen, macht der Verein mit dem Projekt “Der Mensch dahinter” auf die Menschen “hinter der Uniform” aufmerksam. Ziel ist es, einen respektvollen Umgang mit diesen Berufsgruppen zu fördern.
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Charlotte Jarosch von Schweder
„Man wird nicht unbedingt immer willkommen geheißen“
„In der dritten Woche nach dem Hochwasser im Ahrtal waren wir dort auf einer Anhöhe in Zelten untergebracht“, erzählt Charlotte Jarosch von Schweder von ihrem ehrenamtlichen Einsatz im Katastrophenschutz. „Wir waren unter anderem als Fußstreife unterwegs, überall Chaos, der Friedhof in unserem Sektor war völlig übergeblubbert“, weiß sie weiter zu berichten. An der Stadtmauer waren durchnässte, aufgequollene Möbel aufgeschichtet, aber oben auf der Spitze thronte ein plüschiges Einhorn. Solche Momente tun gut, wenn man einfach sprachlos ist, ohnmächtig angesichts von Leid und Zerstörung. Fortan zauberte den Einsatzkräften allein das Wort „flauschig“ trotz aller Angespanntheit ein Lächeln ins Gesicht, eine Art Running Gag und ein wichtiges Ventil.
Seit ihrem 15. Lebensjahr ist Charlotte Jarosch von Schweder bei den Maltesern in Hannover ehrenamtlich aktiv, als Rettungssanitäterin und im Katastrophenschutz. Das sei eng miteinander verbunden, erklärt die zweifache Mutter, die im Hauptberuf sechs Jahre lang Gesang in Hamburg studiert hat und mit diversen Ensembles in der ganzen Welt unterwegs war. Phasenweise hat sie auch im Ausland nebenbei als Einsatzkraft gearbeitet. Besonders nahe gehen ihr Einsätze, wenn Kinder betroffen sind, etwa beim plötzlichen Kindstod. Man fährt in solchen Fällen auch dann noch „das volle Programm“, wenn es eigentlich aussichtslos ist. „Das hat vor allem psychologische Gründe“, fügt sie an.
„Nicht wegsehen, lösungsorientiert an die Probleme herangehen“, ist ihre Maxime, die sie auch in das folgende Bild fasst: „Im Dunkeln können wir Jemanden übersehen, aber wenn wir ein Licht hinstellen damit einen Weg weisen und Wärme bringen, dann ist das eine erste Lösung “ Ein gutes Beispiel dafür ist der Wärmebus, den die Malteser betreiben und mit dem Menschen ohne festen Wohnsitz ursprünglich nur in der kalten Jahreszeit mit heißen Getränken, Mahlzeiten, Schlafsäcken, Hygieneartikeln und Hilfsangeboten versorgt wurden. Letztlich umfasst der „Wärmebus“ aber viel mehr, was gerade in der Coronazeit bewiesen wurde. Es ist ein soziales Hilfsangebot auf Augenhöhe für die Bedürftigen, es wird menschliche Wärme geschenkt.
Dennoch stellt die Malteserin fest, „dass man nicht unbedingt immer willkommen geheißen wird“. „Wir werden mit der Staatsmacht gleichgestellt“, weist sie auf ein Phänomen hin, das sie vor allem auf Unwissenheit zurückführt und darauf, dass ihre Dienstleidung an Uniform erinnert: „Das Hauptproblem ist die mangelnde Aufklärung.“ Jarosch von Schweder bildet Schulsanitäter*innen und Einsatzsanitäter*innen aus und ist Fachkraft für die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte. „Mir ist immer noch zu wenig egal“, deutet sie eine wichtige Eigenschaft an: Empathie. Dass sie zum Ausgleich Sport macht, liegt fast auf der Hand: „Lieber 40 Kilometer rudern als laufen“, sagt Charlotte Jarosch von Schweder, die ansonsten in der Muckibude Gewichte stemmt. Aber auch einfach in Ruhe durch das Wilhelm Busch Museum in Hannover wandeln und Kunst genießen, tut ihr gut. Wir schätzen ihre einfühlsame und doch zupackende Art sehr.
Andreas Sündermann
Deeskalation und Dankbarkeit
„Man weiß, dass es schnell vorbei sein kann“, zieht der Notfallsanitäter Andreas Sündermann eine Lehre aus 32 Berufsjahren bei den Maltesern in Hannover. Er kann sich gut daran erinnern, wie er eine junge Mutter, etwa Mitte 30, mit dem Krankentransportwagen nach Hause brachte. Sie wurde palliativ entlassen, also zum Sterben nach Hause geschickt. „Diese 30 Minuten im Wagen waren natürlich zu kurz, um eine Beziehung aufzubauen“, sagt Sündermann, der bei den Maltesern nur Andi genannt wird. Und doch habe sich auf der Fahrt eine besondere Form der Nähe entwickelt. Während des Transportes hielt die Patientin die Fassade aufrecht, doch nachdem er die Mutter zu Hause in die Obhut ihrer Familie gegeben hatte, hörte Sündermann durch das geöffnete Küchenfenster, wie sie vor ihrem Mann und ihren Kindern emotional zusammenbrach.
Der gelernte Automechaniker hat schnell gemerkt, dass das Handwerk nicht seins ist, und seinen Zivildienst sinnvoll genutzt, um zunächst eine Ausbildung zum Rettungssanitäter zu absolvieren. Danach folgten der Rettungsassistent und dann der Notfallsanitäter. Noch heute ist er froh darüber: „Es ist nie langweilig, ein Super-Team, ich bin viel draußen“, sagt er und erklärt, selbst noch nie bedroht oder körperlich attackiert worden zu sein. In erster Linie liege es am Auftreten, mutmaßt er. Er habe schon Geschichten gehört, wo sich die Situation hochschaukelte, der Ton immer aggressiver wurde und die Kollegen bereits genervt zum Einsatz kamen. „Die Gesundheitskompetenz hat sich verändert“, urteilt er über Patienten, die wegen Lappalien den Rettungswagen rufen. Und doch sei das kein Grund, sich auf Scharmützel und Streitigkeiten einzulassen.
Wer, wie Andreas Sündermann, neben unzähligen Notfalleinsätzen vier Geburten im Rettungswagen erfolgreich gemanagt hat, eignet sich auch zur Ausbildung von Notfallsanitäter*innen. Als Praxisanleiter gibt der erfahrene Notfallsanitäter dem Berufsnachwuchs das Rüstzeug zum Umgang mit brenzligen Situationen.
Andi Sündermann stellt fest, dass man froh sein kann, in diesem demokratischen Land geboren worden zu sein, wo man frei und ohne Ängste leben kann, seine Meinung äußern kann und es soziale Hilfsangebote in vielen Bereichen gibt, die Menschen, welche sozial und wirtschaftlich benachteiligt sind, zugutekommen. Sein Ausgleich ist Sport, mit seinen beiden Söhnen Rennrad fahren, nach vielen Jahren Fußball und Triathlon auch Skifahren. Wir sind überzeugt, dass seine Dankbarkeit uns allen gut zu Gesicht stünde.
Umsetzung des Projekts
Es kommen Menschen aus Berufsgruppen zu Wort, die in besonderer Weise unter Anfeindungen oder Übergriffen leiden. Mithilfe ausführlicher Interviews werden Hintergrundtexte formuliert und mit einem aussagekräftigen Foto versehen. Bei der Auswahl der Personen wird Wert auf Vielfalt gelegt. Indem Altersgruppen, die Geschlechter und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund möglichst ausgewogen abgebildet werden. Es sollen ganz »normale« Vertreter*innen ihres Berufsfeldes sein, die etwas über sich, ihr Leben und ihren Arbeitsalltag erzählen möchten.