Luxemburg/Köln. Leistungen im Rettungsdienst müssen in Deutschland nicht mehr europaweit ausgeschrieben werden, entschied am 21. März 2019 der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser Bereich wird von den sonst vorgeschriebenen EU-weiten Ausschreibungen ausgenommen. Der Malteser Hilfsdienst begrüßt das Urteil des EuGH.
Der Regional- und Landesgeschäftsführer der Malteser in Nordrhein-Westfalen, Thomas Berding, sagt: "Durch diese Entscheidung des EUGH bleibt die in Deutschland bewährte enge Zusammenarbeit von ehrenamtlichen und hauptberuflichen Sanitätern im Rettungsdienst und Katastrophenschutz gewährleistet. Die Verzahnung sorgt unter dem Strich für viel höhere Leistungen der Retter bei Katastrophen und Terrorangriffen mit vielen Opfern. Das rettet Leben, beschützt die Menschen." Diese Argumentation habe die Richter des EuGH überzeugt.
Ohne die sogenannte „Bereichsausnahme“ stünden viele Menschen, viele Fahrzeuge und viel Ausrüstung, die die Organisationen für einen funktionierenden ehrenamtlichen Bevölkerungsschutz benötigen, aufgrund des EU-Vergaberechts nicht mehr zur Verfügung. Berding fährt fort: "Der Wettbewerb ist damit aber nicht außer Kraft gesetzt. Unser deutsches Vergaberecht wird dafür sorgen, dass die Kommunen bei der Vergabe des Rettungsdienstes auch weiter unter mehreren gemeinnützigen Anbietern auswählen müssen."
Trotz des EuGH-Urteils bleibe abzuwarten, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf, das das Luxemburger EU-Gericht angerufen hatte, demnächst im zugrundeliegenden Solinger Vergabeverfahren entscheiden werde.
Gemeinsame Erklärung
Auch die anderen anerkannten Hilfsorganisationen aus NRW begrüßen Richterspruch aus Luxemburg. In einer gemeinsamen Pressemitteilung erklärten sie zusammen mit den Maltesern: "Mit Urteil vom 21. März 2019 hat der Europäische Gerichtshof die von Landesregierung, kommunalen Spitzenverbänden und anerkannten Hilfsorganisationen gemeinsam vertretene Rechtsauffassung bestätigt, wonach bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen an die anerkannten Hilfsorganisationen im Rettungsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst, die Bereichsausnahme greift. Kreise und kreisfreie Städte können rettungsdienstliche Leistungen danach ohne europaweite Ausschreibung vergeben." Der Europäische Gerichtshof habe klargestellt, dass von der Bereichsausnahme das bei uns bewährte Gesamtsystem aus Zivil- und Katastrophenschutz sowie Rettungsdienst unter Einbeziehung von Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport vollständig umfasst werde, teilten die nordrhen-westfälischen Repräsentanten der Hilfsorganisationen mit. Ihre Einschätzung: „Das ist ein guter Tag für den Katastrophenschutz, der in Deutschland zu 90 Prozent auf Ehrenamt aufgebaut ist. Das Urteil hat Signalwirkung für die Rettungsdienstvergabe in ganz Deutschland.“
Rechtsstreit begann 2016 in Solingen
Die Luxemburger Entscheidung beendet einen jahrelangen Streit über die Gültigkeit der durch die Vergaberechtsreform der Europäischen Union 2014 geschaffenen und vom Bundesgesetzgeber zwei Jahre später umgesetzten Ausnahmevorschrift. Die Stadt Solingen wollte 2016 die kommunalen Rettungsdienstleistungen für die Dauer von fünf Jahren neu vergeben. Private Anbieter waren nicht zum Verfahren zugelassen. Es wurden nur vier Hilfsorganisationen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dagegen zog jedoch der private Rettungsdienstleister Falck mit Sitz in Hamburg vor Gericht. Aus Sicht dieser Unternehmensgruppe hätte die Vergabe in einem EU-weiten öffentlichen Verfahren durchgeführt werden müssen.
Dieser Streit hatte bei zahlreichen rettungsdienstlichen Vergabeentscheidungen für Unruhe gesorgt. Den anerkannten Hilfsorganisationen geht es jetzt um eine sinnvolle Umsetzung des Luxemburger Urteils in Nordrhein-Westfalen. „Hierzu werden wir kurzfristig das Gespräch mit der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden suchen“, sagen die Landesgeschäftsführer der anerkannten Hilfsorganisationen.
Vorabentscheidungsgesuch des Oberlandesgerichts Düsseldorf
Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes lag ein Vorabentscheidungsgesuch des Oberlandesgerichts Düsseldorf zugrunde. Darin war insbesondere zu klären, ob die Notfallrettung in einem Rettungswagen oder der medizinisch begleitete Patiententransport in einem Krankentransportwagen unter die Bereichsausnahme fallen und „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“ im Sinne des europäischen Vergaberechts sind. Ebenso hatte der Gerichtshof zu entscheiden, ob „gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ insbesondere die nach Bundes- und Landesrecht anerkannten Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen (Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst) sind.